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2019.05.24

Kanda

Kanda – ein edozeitliches Bildungszentrum


Die Edo-Zeit war ein Zeitalter, in dem nach der kriegerischen  Sengoku-Zeit (1467-1590)  265 Jahre lang Frieden herrschte. Das Edo-Bakufu, die damalige Militärregierung, widmete sich in Anbetracht seiner stabilen und blühenden Macht, die es im Staat erreicht hatte, auch der Bildung und Erziehung. Der Ort, der in der Edo-Zeit zum Zentrum dieser Bildungsaktivitäten geworden war, war damals Kanda.

Gebäude im chinesischen Stil

Ganz in der Nähe des Kanda-Schreins (Kanda-Myôjin), den wir Ihnen das letzte Mal vorgestellt haben, der im rein japanischen Stil gebaut ist, befindet sich der Yushima Tempel (Yushima-Seidô), ein Bauwerk im chinesischen Stil, bei dem sich die Leute, die ihn zum ersten Mal sehen, wahrscheinlich fragen, was das denn überhaupt für ein Gebäude sein könnte. Der Yushima-Tempel war auf Befehl des Shôguns Tsunayoshi als Bildungsanstalt der Bakufu-Regierung errichtet worden. Da in regelmäßigen Abständen mehrmals Brände oder Erdbeben auftraten, ist das heute noch sichtbare Gebäude in der Form, wie es 1935 mit Bewahrung des Stils der Edo-Zeit wieder aufgebaut wurde.

Die Lehre, die dort vermittelt wurde, waren die Anschauungen des Weisen Konfuzius aus China, von seinen Konzepten allgemeiner Höflichkeit bis hin zu politischen Ideen, bei denen Ethik eine Rolle spielte , wobei man davon ausgehen kann, dass die Lehre den edozeitlichen Herrschaftsstrukturen angepasst war.

Die Konfuzius-Statue am Yushima Tempel

Es heißt, dass die Konfuzius-Statue, die am Yushima Tempel steht, die größte Konfuzius-Statue der Welt ist. Sie ist vom Lion’s Club aus Taiwan gespendet worden und besitzt einen lächelnden, auf den Betrachter sympathisch wirkenden Gesichtsausdruck. Es ist übrigens überliefert, dass Konfuzius als Lehrer 3000 Schüler gehabt haben soll.

„Maß und Mitte“?

Im Yushima Tempel steht eine äußerst interessante Vorrichtung, die Yûza no ki (Gegenstand im alltäglichen Umfeld) genannt wird und den Inhalt der Konfuzius-Schrift  „Maß und Mitte“ versinnbildlicht. Unten ist diese Yûza no ki abgebildet.

Das Konzept von  Maß und Mitte beschreibt einen Zustand, in dem alles weder zu viel noch zu wenig vorhanden und nichts unausgewogen ist. Wenn der Gegenstand auf dem Foto gerade die richtige Menge Wasser enthält, steht er stabil gerade, aber wenn es zu wenig Wasser ist, neigt er sich und das Ganze  wird instabil, wenn man zu viel Wasser hineingibt, neigt er sich natürlich auch und das Wasser wird am Ende herausgeschüttet.

Ähnliche philosophische Ideen gibt es doch auch in Europa und Amerika. Ob das von Konfuzius erdachte Konzept von Maß und Mitte dasselbe beschreibt wie zum Beispiel das Konzept von Maß und Mitte bei Aristoteles, ist dem Autor nicht bekannt, aber es ist sicherlich eine gute Idee, bei einem Besuch des Yushima Tempels einmal innezuhalten und zu versuchen, über das Konzept „Maß und Mitte“ zu reflektieren.

Der Yushima Tempel als heiliger Ort des Lernens

Wenn die Prüfungszeit beginnt, besuchen viele Prüflinge den Yushima Tempel, da sie das Glück der Weisen der Wissenschaft gerne teilen möchten. Daher hängen am Kyôdanmon-Tor des Tempels ema (Votivtafeln) für Bitten um das Bestehen von Prüfungen (man schreibt seine Bitte auf ein solches Holztäfelchen, auf dem ein Bild aufgedruckt ist). Das ist ein Ort, den man auf jeden Fall besuchen sollte, wenn man sich den Herausforderungen einer Prüfung gegenübersieht.

Die Edo-Zeit war nicht nur das Zeitalter der Bakufu-Regierung, sondern auch eine, in der das Augenmerk auf die qualitative Verbesserung der Bildung in allen japanischen Fürstentümern insgesamt und auch innerhalb der einzelnen Lehen an die jeweiligen Fürsten gelegt wurde. In jedem Fürstentum gab es auch jeweils sog. hankô (Samurai-Schulen), und landesweit ließ sich die Entstehung von  Schulen für Grundschüler, die als Tempelschulen bezeichnet wurden, beobachten. Im Yushima Tempel lag der Schwerpunkt auf dem Konfuzianismus, aber auch andere Studienfächer wurden als angewandte Wissenschaften gelehrt, bei denen man weniger auf Theorie, sondern eher auf den Nutzen für das gesellschaftliche Leben Wert legte. Das galt beispielsweise für rangaku (Medizin), honsôgaku (Botanik/Pharmazie) sowie Lesen, Schreiben und soroban (Rechnen) auf Grundschulniveau, wie es in den Tempelschulen gelehrt wurde.

Damit einhergehend, dass die Zeiten der Kriegswirren längst vergangen waren, nahm auch für die Samurai-Schicht, die in der Edo-Zeit die regierenden Eliten stellte, die Bedeutung von Bildung zu. Das jedoch führte auch dazu, dass nach und nach bei der Kampfkunst eher Form und Stil eine Rolle spielten als die Praxis.  Durch diese Entwicklung entstanden zahlreiche Kampfkunstschulen (dôjô). Im nächsten Beitrag über Kanda möchten wir Ihnen gerne mehr über diese historischen Schulen, die sich in Kanda erhalten haben, berichten.


Bei Bedarf an Übersetzern und Dolmetschern

Transeuro, inc.


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